Freiberufler sind keine arbeitnehmerähnlichen Personen
Ein Rechtsanwalt kann grundsätzlich nicht mit den "in Heimarbeit Beschäftigten" gleichgestellt und somit arbeitnehmerähnlich behandelt werden, weil seine freie und unabhängige Tätigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Schutzbedürftigkeit entgegensteht. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.
Der Fall aus der Praxis
Ein Rechtsanwalt war über zwanzig Jahre in einem Unternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 12.10.2005 vereinbarte er mit seinem Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2006 endet. Gleichzeitig wurde ein sogenannter Mandatierungsvertrag geschlossen, wonach der Anwalt ab dem 01.07.2006 bis zum 30.09.2009 als Rechtsanwalt für das Unternehmen in rechtlichen Angelegenheiten tätig werden sollte. Mit Schreiben vom 28.08.2006 kündigte der Arbeitgeber den Mandatierungsvertrag.
Der Rechtsanwalt klagte in der Folge seine Honoraransprüche vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Köln ein, das den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) Köln verwies. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wies die dagegen erhobene Beschwerde des Anwalts zurück. Dieser vertrat die Auffassung, dass er aufgrund des Mandatierungsvertrages jedenfalls eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) sei. Dies reiche aus, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen.
Das sagt der Richter
Das LAG war anderer Meinung und verneinte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Der Rechtsanwalt könne nicht als arbeitnehmerähnliche Person angesehen werden, weil er von seinem Vertragspartner nicht wirtschaftlich abhängig gewesen sei. Vielmehr sei er - wie bereits während seines Arbeitsverhältnisses - weiterhin für andere Auftraggeber als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig gewesen. Auch wenn - wie vom Rechtsanwalt vorgetragen - kein fester Mandantenstamm existierte und er auf die 7.000 € im Monat, die ihm das Unternehmen zahlte, angewiesen war, sei er in seiner gesamten sozialen Stellung nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig. Schließlich verfüge er über eine eigene Kanzlei und eigene Mandate. Die Art und Weise der Leistungserbringung gegenüber seinem früheren Arbeitgeber sei durch den Mandatierungsvertrag nicht festgelegt gewesen. Der freien und unabhängigen Tätigkeit eines Anwalts stünde auch nicht entgegen, dass Honorare monatlich als Abschläge oder Garantiezahlung geleistet werden. Dies sei bei Dauermandaten vielmehr üblich. Eine arbeitnehmerähnliche Schutzbedürftigkeit ließe sich hieraus gerade nicht ableiten. Die Mandatierung des Anwalts könne auch nicht als Fortführung des früheren Arbeitsverhältnisses in gelockerter Form betrachtet werden. Bei den Verdienstmöglichkeiten des Anwalts sei es neben dem garantierten Honorarvolumen maßgeblich auf Art und Umfang der selbstständig ausgeübten Tätigkeit angekommen, was ebenfalls gegen eine arbeitnehmerähnliche Abhängigkeit des Freiberuflers spräche. Der Rechtsanwalt könne eben nicht soziotypisch mit "in Heimarbeit Beschäftigten" und "ihnen Gleichgestellten" gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG verglichen werden (LAG Köln, Beschluss vom 03.02.2011, Az.: 6 Ta 409/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Freiberuflern steht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht offen. Die Arbeitsgerichte sind zuständig in allen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie für die Streitigkeiten zwischen den Tarifvertragsparteien. Darüber hinaus sind sie zuständig für Streitigkeiten zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und ihren Auftraggebern. Die Abgrenzung zum zivilrechtlichen Zweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit gestaltet sich bisweilen schwierig.
Wichtiger Hinweis
Als arbeitnehmerähnliche Person wird bezeichnet, wer wie ein Arbeitnehmer wirtschaftlich von einem Auftraggeber abhängig ist, aber aufgrund fehlender Eingliederung in eine betriebliche Organisation und bei im Wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht persönlich abhängig wie ein Arbeitnehmer ist. Die arbeitnehmerähnlichen Personen unterstehen nach § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) der Arbeitsgerichtsbarkeit.
Was Sie über den richtigen Rechtsweg wissen sollten
Als Rechtsweg wird der Zugang zur Gerichtsbarkeit eines bestimmten Gerichtszweigs bezeichnet. Gemäß Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) steht jedem der Rechtsweg offen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist Prozessvoraussetzung. Die folgenden Rechtwege gibt es:
- Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafgerichte)
- Verwaltungsrechtsweg
- Rechtsweg zu den besonderen Verwaltungsgerichten (Finanzgerichte, Sozialgerichte, Disziplinargerichte für Beamte, Richter und Soldaten)
- Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit
- Rechtsweg zu den Berufsgerichten und
- Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsgerichten der Länder.
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