Höheres Gehalt nach der Trennung bleibt für Trennungsunterhalt unbeachtlich
Das OLG Brandenburg hat in einer Unterhaltsentscheidung klar gemacht, dass ein nach der Trennung erfolgter sogenannter „Karrieresprung“ und ein damit verbundenes höheres Einkommen bei der Berechnung des Trennungsunterhalts in aller Regel unbeachtlich bleiben muss. Die Begründung des OLG-Beschlusses ist für juristische Laien nicht ganz einfach zu verstehen, sie dürfte vom Ergebnis her aber diejenigen Unterhaltszahler freuen, die nach der Trennung beruflich überraschend Karriere machen.
Der Fall: Karriere nach der Trennung
Ein Ehepaar mit zwei Kindern hatte sich zum Jahreswechsel 2014/2015 getrennt. Im April 2016 wurde im Rahmen eines amtsgerichtlichen Beschlussverfahrens ein Vergleich über Kindesunterhaltszahlungen des Ehemannes sowie Trennungsunterhaltszahlungen an die Ehefrau festgestellt.
Laut Vergleich war die Vereinbarung bis einschließlich August 2018 befristet, wobei auf Basis dieser Vereinbarung auch eine Regelung über den Scheidungs- und nachehelichen Unterhalt getroffen werden sollte. Grundlage für die Vereinbarung und die Gestaltung des nachehelichen Unterhalts sollten die zum Vergleichszeitpunkt vorliegenden Gehaltsnachweise des Mannes aus 2014 sein.
Der Ehemann hatte seit der Trennung beruflich überraschend schnell Karriere gemacht. Zum Jahreswechsel 2014 war er noch als Segmentleiter Einzelfertigung tätig, ab Mai 2015 dann Hauptabteilungsleiter, ab Oktober 2015 Direktor Produktionsplanung und ab November 2016 Direktor Strategie. Die Beförderungen waren auch mit einem deutlich erhöhten Gehaltszuwachs verbunden. Dies veranlasste die Ehefrau, einen höheren Trennungsunterhalt ab September 2018 zu verlangen. Sie zog vor Gericht, das ihrem Antrag stattgab. Der Ehemann wehrte sich und erhob Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg.
Die Entscheidung: Eheprägende Lebensverhältnisse entscheiden über Unterhaltshöhe
Die Richter des OLG gaben dem Mann im Grunde Recht. Die Einkommensverbesserung nach der Trennung müsse für die Berechnung des Trennungsunterhalts unberücksichtigt bleiben. Begründet wird dies mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Die für die Bemessung des trennungsunterhaltsrechtlichen Bedarfs bestimmenden Lebensverhältnisse (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB) richten sich primär nach den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen und damit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Es muss auf die Summe der nachhaltig prägenden finanziellen Mittel, die den Eheleuten zur Verfügung gestanden haben, abgestellt werden.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bedarfsbemessung im Rahmen des Trennungsunterhalts sind laut BGH die jeweils aktuell waltenden Verhältnisse. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden zwar grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft einer Ehescheidung eintreten.
Laut Rechtsprechung des BGH dürfen nacheheliche Einkommensverbesserungen aber nur dann bedarfssteigernd erfasst werden, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und diese Erwartung bereits auch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hatte.
Etwas anderes gelte laut BGH nur dann, wenn die neuen Umstände auf Veränderungen nach der Trennung beruhen, die auf einer unerwarteten und vom Normalfall erheblich abweichenden Entwicklung beruhen (Karrieresprung). Bei diesem ist das erhöhte Einkommen eben nicht mehr eheprägend, da bei derartigen Einkommenssteigerungen der Ehegatte nicht bessergestellt werden soll als er während der Zeit des intakten Zusammenlebens stand und aufgrund einer schon absehbaren Entwicklung ohne die Trennung stehen würde.
Diese zum nachehelichen Unterhalt entwickelten Grundsätze wendet der BGH bereits für die Dauer des Getrenntlebens an. Auch beim Trennungsunterhalt ist eine Einkommensentwicklung nur beachtlich, wenn diese aus der Sicht zum Zeitpunkt der Trennung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und diese Erwartung bereits auch die ehelichen Lebensverhältnisse bis zur Trennung geprägt hatte.
Ein Karrieresprung ist anzunehmen, wenn nach der Trennung bis zur Rechtskraft der Ehescheidung das Einkommen eines oder beider Ehegatten bis zur Scheidung eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung genommen hat, die somit für die Bestimmung des Trennungsunterhaltes BGB außer Betracht bleiben muss (OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2019; Az.: 9 UF 49/19).
Entscheidung lässt sich auch auf andere Konstellationen übertragen
Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung war die Einstufung des ungewöhnlichen Einkommensverlaufs als Karrieresprung. Die OLG-Richter weisen darauf hin, dass ein solcher Karrieresprung auch in anderen Bereichen gelte, z. B. wenn erst nach der Trennung die Bewerbung mit anschließender Beförderung in ein höheres Amt bei Beamten usw. erfolgt oder wenn ein Nichtselbstständiger sich selbstständig macht.
Expertentipp
In solchen Fällen genügt es für einen höheren Unterhaltsanspruch eben nicht, dass derartige Überlegungen bereits während des ehelichen Zusammenlebens stattfanden oder möglicherweise auch schon gewisse Entscheidungen in diese Richtung vorgenommen wurden. Wenn die eigentlichen Grundlagen für den Wechsel und die damit verbundenen Einkommenssteigerungen erst nach der Trennung gelegt werden, wie dies hier der Fall ist, scheidet eine entsprechende Zurechnung zur Ehe definitiv aus.
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